Die Täufer suchten danach, ein Jesus gemäßes Leben zu führen. Wie aber kann man das umsetzen, ohne naiv über alle Kulturgrenzen hinweg Jesus direkt kopieren zu wollen? Aufgrund der biblischen Berichte und der historischen Forschung lässt sich untersuchen, auf welche Weise sich Jesus gegenüber Sadduzäern, Zeloten, Essenern und Pharisäern verhalten hat. Daraus lassen sich stimmige Ableitungen für heute treffen, ohne in eine zwanghafte Bibel-Wörtlichkeit zu verfallen.
#35 Streit um die Taufe
Bis heute ist der reformatorische Konflikt um „Säuglingstaufe“ und „Glaubenstaufe“ nicht abschließend gelöst. Zur damaligen Zeit war es ein Ausdruck von zivilem Ungehorsam, seine Kinder nicht taufen zu lassen. Heutzutage lässt sich an der Tauffrage studieren, wie das evangelische Prinzip „sola sriptura – Allein die Schrift“ sehr unterschiedlich angewendet wird, um kirchliche Traditionen zu legitimieren oder zu korrigieren. Diese Episode hat Überlänge, weil zusätzlich zum historischen Material auch die Begründungslinien bis in die Gegenwart hinein skizziert werden.
#34 Vieldeutige Bibel
Mit dem Prinzip „sola scriptura – Allein die Schrift“ wandte sich Martin Luther gegen die Lehrautorität der katholischen Tradition und die des Papstes. Als aber alle in der deutschen Bibel nachlesen konnten, was dort steht, führte dieses nur kurzfristig zu mehr Einheit. Bereits zur Zeit der Reformation wurde deutlich, dass je nach Zuordnung sowohl von „Geist“ und „Buchstabe“ als auch Altem und Neuem Testament unterschiedliche theologische Ansichten vertreten wurden.
#33 Allgemeines Priestertum
Die Leitidee des „Allgemeinen Priestertums“ führte in wenigen Jahren zu einem gravierenden Umbruch in der mittelalterlichen Ständegesellschaft. Weil jeder Gläubige durch Christus unmittelbar zu Gott war, brauchte es von nun an keine vermittelnden Priester mehr. Die vertikale Abbildung einer kosmischen Ordnung verwandelte sich in eine horizontale Gleichheit aller. Allerdings wurde diese Entwicklungsrichtung bis heute noch nicht konsequent zu Ende gedacht.
#32 Frauen
Über Frauen in der Reformation gibt es weniger historisches Material als über Männer. Das heißt aber nicht, dass sie weniger engagiert waren. Vier Frauen aus den Täuferbewegungen sollen besonders erwähnt werden: Die Straßburger Prophetin Ursula Jost, die Münsteraner Attentäterin Hille Feicken, die niederländische Dichterin Anneken Jans und die Tiroler Täuferleiterin Helena von Freyberg. An allen vieren wird deutlich, dass in der Radikalen Reformation ebenso auch Frauen mutig und profiliert für ihre Glaubensüberzeugungen einstanden.
#31 Menno Simons
Nach dem Zusammenbruch des Täuferreichs zu Münster gerieten viele täuferische Gruppen in eine tiefe Identitätskrise. Ab 1540 wurde Menno Simons, Namensgeber der Mennoniten, zu einer führenden Figur. Unter seiner Leitung setzte sich im norddeutschen und niederländischen Raum die pazifistische Linie durch. Es bildeten sich abgeschiedene, freikirchliche Täufergemeinden. Parallel dazu kam es zu inneren Konflikten in Bezug auf die Reinheit der Gemeinde, was zeitweise zu einer rigorosen Bannpraxis führte. Verbindend blieb aber die radikale Ablehnung von Kriegsgewalt.
#30 Christlicher Anarchismus
Passt christlicher Glaube und Anarchismus zusammen oder ist es ein Widerspruch in sich? Bereits zur Zeit der Hussitenkriege formulierte Peter Chelčický die Vision eines radikal gewaltlosen und hierarchiekritischen Christentums. Er berief sich dabei auf die Bergpredigt von Jesus. Die Böhmischen Brüder führten seine Gedanken weiter. Über 400 Jahre später griff Leo Tolstoi Chelčickýs Ausführungen auf und inspirierte damit Mahatma Gandhi. Es ist wichtig, als Christ anhand der Bibel in staatspolitischen Alternativen denken zu lernen.